Rezension: Das Erbe der Theaterritter - Meisterschirm

Im Laufe der Jahre gab es schon viel Zubehör und Schnickschnack rund um DSA-Abenteuer: Ein Würfelset für die Drachenchronik, Begleitromane zur Jahr des Greifen Kampagne oder zur Phileasson-Saga, Handy-Spiele zum Jahr des Feuers, der Dämonenkronen-Würfelbecher zur Sieben Gezeichneten Kampagne, Musik-CDs zu Die Wandelbare oder zur Königsmacher-Kampagne. Eine Sache hatten wir bisher aber noch nicht: Einen eigenen Kampagnen-Meisterschirm! Doch diese unverzeihliche Lücke ist nun geschlossen: Die vier Helden (und der Schelm) nehmen den neuen Meisterschirm zur Theaterritter-Kampagne unter die Lupe.

Die Grundidee

Eigentlich ist das Konzept ja ebenso naheliegend wie elegant: Wer viele, viele Stunden, Tage und Wochen mit einer DSA-Kampagne verbringt, will so gut es geht in diese fremde Welt eintauchen, die Abenteuer seines Helden selbst in der eigenen Fantasie miterleben. Und da der ständige Anblick von Chipstüten, Würfelbechern, Colaflaschen und Stiften nicht gerade fantasiefördernd ist, kann ein schöner Meisterschirm mit einem stimmungsvollen Motiv beim Eintauchen in die Spielwelt helfen. Gleichzeitig hat der Meister auf der anderen Seite des Schirms alle spielrelevanten Werte direkt vor Augen, und muss nicht für jeden Fernkampf-Modifikator die Tabellen des Grundregelwerks hervorkramen.

Das Begleitheft zum Meisterschirm zur Kampagne

Passend zur ersten DSA5-Kampagne um die Theaterritter und das Erwachen des Bornlands bringt Ulisses also einen Spielleiterschirm mit beiliegenden 48-seitigem  Begleitheft heraus, das umfangreiches Zusatzmaterial und übersichtliche Nachschlagemöglichkeiten zu den sechs erschienenen Abenteuern der Kampagne bieten soll.

Das Kunstwerk

Wer bereits den ersten DSA5-Meisterschirm in Händen gehalten hat, weiß, was ihn erwartet: Wie sein Vorgänger besteht auch der neue Meisterschirm aus vier klappbaren Teilen aus angenehm stabiler Pappe, die auch im härtesten Abenteuer-Alltag nicht umkippen dürfte. Das Format und Layout ist identisch geblieben, ebenso die Druckqualität mit hervorgehobenen Glanzeffekten über den einzelnen Charakteren.

Das Coverbild von Axel Sauerwald zeigt die ikonischen Helden irgendwo im Bornland an Waldrand und Flußufer stehend. Geron Waisenmacher steht auf einer Klippe und schaut sich nachdenklich die entfernte Burg und die darüber kreisenden Drachen an. Tjalva Gareheltdottir füllt im Fluss die Trinkflaschen, während Magierin Mirhiban Al'Orhima, Streuner Carolan Caravanti und Hexe Rowena aus dem Überwals mehr oder weniger gelangweilt umherstehen. Im Hinterhalt lauern schon mindestens zwei Goblins, die unserer Heldentreppe nicht besonders freundlich gesonnen zu sein scheinen. Der Wald ist grün, der Fluß ist reißend, die Drachen fliegen hoch - eine harmonische DSA5-Idylle, wie sie Bob Ross kaum schöner hingekriegt hätte (er ein paar Informationen zur Entstehung und zur Bildkomposition erfahren möchte, sollte einen Blick auf das Making Of werfen).

Dunkle Kaschemme gegen wilde Wildnis

Atmosphärisch geht das Bild also voll in Ordnung, ist auch handwerklich sehr ordentlich gemacht. Im direkten Vergleich mit den "Original"-Bildern der ikonischen Helden von Nadine Schäkel (z.B. hier oder hier) ist der Stil von Herrn Sauerwald aber deutlich kantiger und etwas weniger detailverliebt. Das ist sicherlich eine Geschmacksfrage - in jedem Fall sieht man, dass hier verschiedene Künstler am Werk waren. Die Kopfhaltung von Geron finde ich etwas merkwürdig, und dass die Burg auf dem bewaldeten Hügel eine Kopie von Feste Grauzahn ist, die bekanntlich über Notmark und nicht über einem menschenverlassenen Wald thront (siehe Der grüne Zug - Seite 48), ist auch eine komische Entscheidung. Aber diese kleine Kritik soll das Werk selbst nicht schmälern, weiß das Landschaftsbild doch mit all seinen Details und Bildelementen gut zu gefallen.

Das Motiv selbst ist übrigens auch nicht an das Bornland und die Theaterritter-Kampagne gebunden - ich könnte es mir auch genausogut in einem Albernia- oder Nostergast-Setting vorstellen. Da das Bild auch deutlich heller als der doch etwas arg düster geratene erste DSA5-Meisterschirm ausgefallen ist, ist es auch deutlich augenfreundlicher. Und schließlich: In einer Taverne sind Heldengruppen für gewöhnlich seltener anzutreffen als bei langen Überlandreisen durch die Wildnis. Insofern hat der Schirm auch bei anderen Abenteuern seine Berechtigung.

Die Tabellen

Die Innenseite des Meisterschirms weist nur eine einzige Überraschung auf: Nämlich dass es keine Überraschungen gibt! Der komplette Inhalt des ersten Tavernen-Meisterschirms wurde identisch übernommen. Nach einigem Suchen konnte ich exakt zwei Unterschiede ausmachen: Das "Helm und Waffen" Bild musste zwei bornischen Schilden weichen, und der arme Amboss wurde durch eine Umrechnungstabelle (großspurig "Währungsrechner" getauft) von mittelreichischem Geld zu bornländischem Geld ersetzt (für all diejenigen Spieler, die sich partout nicht merken können, dass 1 Dukat = 1 Batzen ist).

Findet den Unterschied!

Die restlichen Tabellen sind komplett identisch: Eine Regelübersicht zu Proben, Zuständen und Schicksalspunkten, Kampftabellen und eine Seite für Magie- und Liturgie-Modifikationen. Bornländische oder Theaterritter-Kampagne-bezogene Tabellen sucht man hier vergeblich. Das ist einerseits sicherlich praktisch, weil man sich vom anderen Meisterschirm nicht umgewöhnen muss, und die Grundregeln ja immer benötigt werden. Aber dennoch hätte ich hier ein paar regionaltypische oder Abenteuer-bezogene Tabellen erwartet. Keine Sorge: Natürlich gibt es auch diese Tabellen, aber eben nicht auf dem Meisterschirm, sondern im beiliegenden...

Das Begleitheft

Mit ihren sechs Abenteuern um die Theaterritter, den Korsmal-Bund und das Erwachen des Bornlands haben Daniel Heßler und Niklas Forreiter nicht nur die erste große und langerwartete DSA5-Kampagne geschrieben, sondern auch bewiesen, dass ein solches Mammutprojekt mit nur zwei Hauptautoren in einem überschaubaren Zeitraum mit relativ festen Veröffentlichungsterminen gestemmt werden kann. Immerhin wurden in ziemlich genau einem Jahr fast 400 Seiten veröffentlicht. Dass dabei auch einige Abenteuerideen und Ausgestaltungsvorschläge aus Platzgründen unveröffentlicht bleiben mussten, ist verständlich. Umso schöner, dass diese Texte nun im Rahmen des 48-seitigen Begleithefts Das Erbe der Theaterritter, zusammen mit einigen Zusammenfassungen und Zufallstabellen, doch noch nachgereicht werden können.

Den Anfang macht ein kurzer Kampagnenüberblick, der alle 6 Abenteuer der Hauptlinie in kurzen Sätzen zusammenfasst und so einen groben Faden über den Kampagnenverlauf gibt. Allzu viele Details sollte man hier nicht erwarten, der Überblick dient weniger als Nachschlagewerk denn als Einleitung für Meister, die die Abenteuer noch nicht gelesen oder schon wieder vergessen haben. Die beiden Heldenwerk-Abenteuer Rübenernte und Die Thorwalertrommel werden übrigens nicht erwähnt.

Wer noch nie im Bornland gespielt hat, wird sich über das Kapitel Einführung ins Bornland freuen, dass die wichtigsten geschichtlichen, geographischen und politischen Fakten zusammenfasst. Dabei konzentrieren sich die Informationen auf diejenigen, die man im Verlauf der Kampagne auch tatsächlich gebrauchen kann. Eine Besonderheit ist die Einteilung der Fakten in Bereiche, auf die der Spieler eine Probe würfeln kann, um so zu ermitteln, wieviel ein Charakter zu einem Themenkomplex weiß. Sehr praktisch, wenn man zum Beginn des ersten Abenteuers in wenigen Minuten alle Spieler auf den selben Hintergrund-Wissenstand bringen möchte.

Das kleine Bornland-Glossar listet ein paar Dutzend bornische und aventurische Begriffe auf, denen die Spieler im Laufe des Abenteuers begegnen können. Von Adelsmarschall(in) über Molokdeschnaja bis Zibilja sind so manche Stichworte dabei, die insbesondere einem im Bornland unerfahrenen Meister sehr hilfreich zum Nachschlagen oder zum authentischen Anreichern seiner Beschreibungen verwendet werden können. Wer seine Heldengruppe vom Parness begrüßen lässt, der ihnen Meskinnesdotzen und Kwassetz vorsetzt und letzteren mit einem herzlichen "Pojechali" herunterstürzt, hat atmosphärisch schon viel gewonnen.

Waren die vorherigen Seiten noch relativ neutral und auch in anderen Bornland-Abenteuern verwendbar, wird es im Kapitel Theaterritter & Korsmal-Bund sehr viel konkreter: Hier wird eine sehr ausführliche Beschreibung der Geschichte der Theaterritter und des Korsmal-Bundes gegeben, die den notwendigen Hintergrund für den Meister zusammenfasst. Ganze sechs Seiten hat man dafür spendiert, die in Anbetracht der über tausendjährigen komplexen Geschichte auch dringend notwendig sind. All diese Informationen sind definitiv nichts für Spielerhände! Besonders praktisch im Abenteuer sind die Wertekästen für Korsmal-Bund-Kultisten, Liturgien und eine Übersicht über die Pläne des Bundes in den einzelnen Abenteuern und wie die Helden diese beeinflussen können.

Theaterritter haben kleine Sehschlitze

Das Erwachen des Landes ist eines der Hauptthemen der Kampagne, das aber für den Meister aufgrund seiner Schwammigkeit nicht immer leicht darzustellen ist. Um trotzdem jederzeit kleine Szenen einstreuen zu können, die das Erwachen andeuten, wurden fünf Würfeltabellen beigelegt. Eine damit erwürfelte Beispielszene könnte so aussehen: "Erz verschüttet einen Steinbruch - die Lastpferde attackieren die Arbeiter - Schriftzeichen erscheinen in einer Baumrinde" Mögliche erwürfelte Gegenmaßnahmen könnten sein: "Magischer Sturm weht das Geröll weg" oder "Neubau des Steinbruchs unter Schutz einer Liturgie". Sicherlich darf man von den Tabellen keine kompletten Abenteuerplots erwarten - als Anregung zu kleinen Nebenquesten taugen die erwürfelten Stichworte aber allemal.

Einen nicht unwesentlichen Teil der Abenteuer werden die Helden Auf Weg & Steg verbringen, und so gibt es auch Hinweise, wie eine Überlandreise im Bornland gestaltet werden kann. Neben einer sehr rudimentären Wetter-Würfeltabelle und einer ausführlicheren Liste von Zufallsbegegnungen, gibt es Wertekästen für Bornbären, Sumpfranzen und Goblins, sowie jeweils eine kurze Beschreibung einer norbardischen Kaleschka und einer Elchdame als Reittier. Sicherlich nette Details, aber nichts, womit man Dutzende Tagesreisen durch Sewerien viel unterhaltsamer gestalten könnte.

Wer schon immer wissen wollte, wie das Leben in einer Norbarden-Meschpoche abläuft, findet auf den folgenden neun Seiten eine sehr ausführliche Beschreibung der Jantareff-Sippe. Geschichte, Bräuche, Alltag der Sippe werden ebenso beschrieben wie ihre Sonderfertigkeiten, Waren und Handelsbeziehungen, ihre Mitglieder, Konflikte und Gerüchte. Ganz konkrete abenteuerrelevante Szenen runden das sehr detailierte Kapitel ab. Wer die Begegnungen der Helden mit den Jantareffs lebendig gestalten will, dürfte hier mehr als genug Anregungen finden, die im Abenteuer offensichtlich keinen Platz mehr gefunden haben.

Fröhliche Norbarden!

Einen kurzen Vorgriff auf die leider noch ausstehende Bornland-Spielhilfe (und -Rüstkammer) bietet das letzte Kapitel Rüstzeug & Gesöff, das sich zwei Waffen und einer Rüstung sowie dem bornischen Kneipenwesen widmet. Die schöne Würfeltabelle kann z.B. eine solche Kneipe erzeugen: "Der volltrunkene Wirt stützt sich auf eine rostige Axt. Becher und Teller werden von einer Fee serviert, die zuviel vom Meskinnes genascht hat. Die anderen Gäste sind eine Gruppe, die in ein Würfelspiel vertieft ist, sowie eine Laiendienerin der Peraine, die an einem sewerisches Met nippt." Mit dem Borndolchwerfen und Deut-Schnickeln werden auch zwei neue Kneipenspiele samt Regeln präsentiert.

Damit enden die 48 kurzweiligen Seiten auch schon. Eine bunte Mischung aus allgemeinen Bornland-Informationen, praktischen Mini-Begegnungen für stimmungsvolle Szenen, sowie ganz konkrete Tipps für die Ausarbeitung der Theaterritter-Kampagne.

Optisch ist das Begleitheft, wie immer bei DSA5, sehr augengefällig. Rechtschreibfehler konnte ich fast keine entdecken. Die Bilder sind wie immer sehr stimmungsvoll und von sehr hoher Qualität, zum Großteil aber schon aus anderen Publikationen (besonders natürlich den Theaterritter-Abenteuern) bekannt. Das Problem der zu dunklen Illustrationen tritt hier glücklicherweise nicht auf.

Das Fazit

Wer mit dem Gedanken spielt, sich den Meisterschirm und das zugehörige Begleitheft zuzulegen, sollte wissen, dass er damit keinen Vorgriff auf die ausstehende Bornland-Spielhilfe erhält und sich der Nutzen primär auf das Umfeld der Theaterritter-Kampagne beschränkt. Für andere Abenteuer ist nur ein Teil der Informationen anwendbar, und außerhalb des Bornlands geht der Nutzen gegen Null. 

Spieler sollten ganz klar die Finger vom Kauf lassen, ist die Zielgruppe doch der Meister der Theaterritter-Kampagne. Für diesen ist das Werk aber auch von erheblichen Nutzen: Die ausführliche Hintergrundgeschichte der Theaterritter und des Korsmal-Bundes sind eine unschätzbare Hilfe zum Verständnis der durchaus komplexen Zusammenhänge. Die Zufallstabellen für das Erwachen des Bornlands, die Zufallsbegegnungen und Kneipenszenen sind nette Hilfen, um die Spielwelt mit Leben zu füllen. Wer plant, die Jantareffs längere Zeit zu begleiten, wird sich über die saubere Ausarbeitung des Alltags in dieser speziellen Norbarden-Sippe freuen.

Zu kritisieren habe ich nicht viel: Eine Übersichtskarte mit der erwarteten Reiseroute der Helden über alle 6 Abenteuer wäre schön gewesen, die Wettertabelle und die Auswahl an Zufallsbegegnungs-Gegnern sind etwas spärlich. Ansonsten weiß das Begleitheft durchweg zu überzeugen - es ist eine schöne kleine Nachschlagehilfe, um die Theaterritter-Kampagne mit Leben zu füllen. Nicht mehr und nicht weniger.

Einzig der Inhalt des Meisterschirms war für mich enttäuschend, hatte ich mir doch eine mehr auf das Bornland zugeschnittene Auswahl an Tabellen gewünscht. Ich kann die Entscheidung von Ulisses, den alltagstauglichen Tavernen-Meisterschirm zu recyclen durchaus verstehen, aber ich persönlich hätte mir lieber Tabellen zu den Inhalten der Abenteuer und des Begleithefts statt allgemeiner Kampftabellen gewünscht. Aber das ist sicherlich eine Geschmacksfrage. Da ich den DSA5-Meisterschirm bisher auch noch nicht im Praxistest ausprobieren konnte, kann ich zur Alltagstauglichkeit auch keine Aussage machen.

Das Konzept des Meisterschirm-Bundles finde ich insgesamt aber großartig, und würde mir gerne auch einen eigenen Meisterschirm für das Jahr des Feuers, die Philleasson-Triologie, die sieben Gezeichneten oder die Splitterdämmerung wünschen. Auch für epische Einzelabenteuer würde sich das Konzept durchaus eignen: Einen Namenlose Nacht-Meisterschirm mit allen Meisterpersonen und Zeitplänen, und einem orgiastischen Bild auf der Vorderseite, würde ich blind kaufen!

Ob der gebotene Mehrwert des Begleithefts, sowie die sehr schöne Illustration des Meisterschirms, die geforderten 25 Euro wert ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Zwingend notwendig sind beide sicherlich nicht - aber durchaus hilfreich, um aus der Theaterritter-Kampagne ein Erlebnis zu machen, das Helden, Spieler und Meister so schnell nicht vergessen werden.

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